Lubomyr Melnyk

Wichtig ist nicht das Hervorgebrachte, sondern das Hervorbringende. ( Roger Willemsen)
Wenn es eine Sache zu Beginn meiner Labelarbeit gegeben hat, die ich kategorisch ausgeschlossen habe, ja die ich mir noch nicht mal im Entferntesten hätte vorstellen können, dann war es die Veröffentlichung eines Klassikalbums. Zu sehr erschienen mir die Strukturen innerhalb dieses Genres eingerastet, verknöchert, elitär. Zu sehr liebte ich den Lärm und das Raue der Punkmusik – die, wie sich zu meinem Leidwesen später herausstellte, elitäre Negation der vermeintlich bürgerlichen Hochkultur. Man wird älter, sieht Dinge mit anderen Augen, beginnt seine Grenzen zu bewandern und über die Mauern und zwischen die Zäune zu schauen. Punk erweitert sich zu R’n’R, Blues, Funk, Soul und Jazz. Und Klassik bleibt weiterhin außen vor und zwar bis zu dem Moment, wo ich die Musik des kleinen Mannes mit ukrainischen Wurzeln hörte. Ich muss ehrlicherweise sagen, ich verstehe nichts von dem, was er da macht. Es ist Klassik und weder Elternhaus noch Schule konnten mir diese in jungen Jahren näher bringen. Einordnungen seines Spiels gibt es allerdings viele. Eine davon: Er ist der schnellste Klavierspieler der Welt mit 19,5 gemessenen Anschlägen pro Sekunde. Das ist schneller als die Wahrnehmung des menschlichen Ohres und so schnell, daß bei Stücken für zwei Pianos er selbst beide einspielen muss, da es niemanden auf der Welt gibt, der diese Stücke spielen kann. Das Besondere an diesem nicht enden wollenden Strom an Tönen ist die Leichtigkeit, mit der Lubomyr diese aus dem Klavier entlocken zu vermag. Er ist das Klavier und es klingt wie ein Bächlein zu allen verschiedenen Jahreszeiten und Wetterlagen, vielleicht aber auch wie der Wind. Und ja, es sind nur Bilder, mit denen ich versuche zu vermitteln, wie großartig ich es finde, jetzt mit diesem Mann zusammenarbeiten zu dürfen. Er, der mit „Continuous Music“ ein eigenes Genre innerhalb der Klassik entwickelte und trotzdem mit 68 Jahren noch immer seine eigenen selbstgebrannten CDs auf Konzerten verkauft, da außer Erase Tapes kein großes Label Interesse an seiner Kunst finden konnte bzw. wollte. Er, der vor jedem Stück dem Hörer vermitteln will, warum er diese Musik spielt. Illirion vereint unterschiedliche Werke seines Schaffens und gibt euch einen kleinen Einblick in die Welt des Lubomyr Melnyk. Seine Musik hat mich berührt, hat mich und meine Denkweise verändert und ich hoffe sehr, daß ihr euch die Zeit nehmen könnt, ebenfalls in die Welt der „Continuous Music“ einzutauchen. Es würde mich freuen.